Interview mit Prof. Dr. med. Michael Frass

Dr. med. Michael Frass ist Internist, Intensivmediziner und Homöopath an der Klinik für Innere Medizin I am Wiener AHK. Er sagt: Intensiv-Patienten, die einen Ausfall einer oder mehrerer Organfunktionen haben, kann man mit der Homöopathie eine ausgezeichnete begleitende Unterstützung gewährleisten.

Bitte beschreiben Sie sich kurz!

Ich bin Internist, zusätzlich internistischer Intensivmediziner. Ich habe eine Zusatzausbildung in Homöopathie und leite die Spezialambulanz Homöopathie bei malignen Erkrankungen in Wien.

Homöopathie und Intensivmedizin, das ist eine Symbiose, die viele nicht glauben. Wie funktioniert das?

Auf die Intensivstation kommen Patienten, die einen Ausfall einer oder mehrerer Organfunktionen haben. Diese Patienten müssen unterstützt werden, beispielsweise das Herz, die Lunge oder die Niere. In dieser Phase kann man die Patienten auch sehr gut mittels Homöopathie konstitutionell unterstützen. Manche Patienten wiederum haben eine schwere Infektion und können trotz Einsatzes gezielter Antibiotika nur sehr schwer am Leben erhalten werden. Und genau diesen Patienten können wir mit der Homöopathie eine ausgezeichnete begleitende Unterstützung gewährleisten.

Sie forschen auch. Bitte stellen Sie uns Ihre Studie vor, die Sie mit beatmeten Patienten auf der Intensivstation gemacht haben.

Ja, da gibt es zwei Studien. Die eine Studie haben wir mit Patienten mit Sepsis, also einer sehr schweren fieberhaften Erkrankung durchgeführt. Wir haben die Kriterien so streng ausgewählt, dass nur Patienten mit schwerster Sepsis eingeschlossen worden sind. Diese Patienten sind dann eingeteilt worden in eine Gruppe, die konventionelle Medizin plus einem Placebo und einer zweiten Gruppe, die konventionelle Medizin plus Homöopathie erhalten hat. Man muss dazu sagen, dass alle Patienten in künstlichem Tiefschlaf gewesen sind und nicht wissen konnten, dass sie zusätzlich Homöopathie bekommen. Das heißt, dass der Faktor Suggestion durch den Arzt oder der Placebo-Effekt hier ausscheiden. Interessanter Weise hat sich gezeigt, dass diejenigen Patienten, die zusätzlich Homöopathie erhalten haben, eine bessere Überlebenschance hatten, als jene Patienten, die keine Homöopathie bekommen haben.

In einer zweiten Studie haben wir untersucht, ob Homöopathie einen positiven Einfluss haben kann bei Patienten, die aufgrund von Nikotinmissbrauch einerseits und einer chronischen Lungenerkrankung andererseits eine erhöhte Produktion von Schleim in der Luftröhre haben. Diese Patienten können zwar vom Beatmungsgerät entwöhnt werden, aber man kann den Beatmungsschlauch nicht herausziehen, weil die Patienten wegen diesem übermäßigen Schleim ansonsten ersticken würden. Auch hier gab es wieder zwei Gruppen mit der gleichen Aufteilung. Es hat sich gezeigt, dass die Gruppe, die zur konventionellen Therapie noch Homöopathie erhalten hat, signifikant besser abgeschnitten hat, als die Vergleichsgruppe. Die Homöopathie-Patienten konnten viel früher vom Beatmungsschlauch befreit werden und letztendlich dadurch auch die Intensivstation früher verlassen.

Eigentlich könnten ja alle Intensivpatienten davon profitieren. Gibt es noch weitere Intensivstationen, auf denen Homöopathie eingesetzt wird?

Offiziell und routinemäßig wird die Homöopathie auf keiner Intensivstation angewendet. In Indien sind mir einige Kollegen bekannt, die auch Intensivpatienten behandeln, in Europa sind wir derzeit noch nicht so weit, was aber auch damit zusammenhängt, dass Homöopathie an Krankenhäusern noch viel zu wenig präsent ist. Neben den genannten Möglichkeiten kann ich mir auch vorstellen, dass  die Homöopathie auch bei intensivmedizinischer Behandlung von Vergiftungen unterstützend hilfreich sein kann.

Wie reagieren Ihre Kollegen auf Homöopathie im Krankenhaus?

Die Kollegen reagieren sehr verhalten. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass Homöopathie im Krankenhaus nicht überall einen guten Ruf hat. Sie wird häufig mit Esoterik gleichgesetzt, aber oft sind auch die Ergebnisse so verblüffend, dass dies nicht ins jeweilige Weltbild passt.

Wie werden Sie von Kollegen auf positive Verläufe angesprochen?

Diese Frage möchte ich mit einem Fall beantworten: Ein etwa 40-jähriger Mann hatte einen Herz-Kreislauf-Stillstand und wurde von seinem Schwager reanimiert, kam ins Krankenhaus und wurde dort gut weiter behandelt. Er erholte sich neurologisch ausgezeichnet. Nur konnte man ihn wiederum nicht, weil er Raucher war und unter einer chronischen Lungenerkrankung litt, vom Beatmungsschlauch befreien, weil er zu viel Schleim in der Luftröhre hatte. Nach Meinung einer Kollegin würde es noch Wochen dauern, bis dieser Patient die Intensivstation verlassen könne. Ich habe die Krankenschwestern gefragt, welche Farbe und Konsistenz der Schleim hat. Sie beschrieben ihn als gelb und sehr zäh. Daraufhin habe ich ein Mittel vorgeschlagen und anderthalb Tage später konnte dieser Patient vom Beatmungsschlauch befreit werden. Bis heute hat mich kein Kollege gefragt, was ich da gegeben habe.

Welches sind die Haupteinsatzgebiete der Homöopathie insgesamt in Praxis und Klinik?

Ich denke, dass vor allem im Bereich der Kinderheilkunde, aber auch im Bereich der Allgemeinmedizin, sehr, sehr viel Gutes mit der Homöopathie gemacht erreicht kann. Und natürlich auch begleitend bei Krebspatienten, die einerseits eine konstitutionelle Unterstützung brauchen zur Hebung der Lebensqualität, aber auch davon profitieren, dass die Nebenwirkungen der Chemo- und der Strahlentherapie minimiert werden können. Das haben wir auch in einer Studie belegt.

Bezeichnen Sie die Homöopathie als evidenzbasierte Methode?

Ja, wenn man auf die Definition von Sackett – dem Vater der evidenzbasierten Medizin – zurückgreift, dann ist die Homöopathie auf jeden Fall eine evidenzbasierte Methode. Denn es geht einerseits um die Wünsche des Patienten, andererseits geht es um die Erfahrung des Arztes und des Weiteren um die bestmögliche klinische Evidenz und hier schneidet die Homöopathie auf jeden Fall sehr gut ab. Die Schwierigkeit der Homöopathie ist, dass man nicht einzelne Krankheiten behandelt, sondern kranke Menschen und es nicht zweimal den gleichen Patienten gibt. Trotz allem spricht die Studienlage eindeutig zu Gunsten der Homöopathie.

Welche Rolle spielt die Homöopathie in der Medizin der Zukunft?

Wenn es um eine ganzheitliche Gesundheit geht, ist die Homöopathie eine der wenigen Methoden, die in allen Bereichen eingesetzt werden kann. Das Besondere ist, dass die Homöopathie eine qualitative Methode ist, so dass jeder Patient individuell behandelt werden muss. Es werden hier die eigenen Heilkräfte des Patienten eingesetzt – der Patient bekommt durch die homöopathische Arznei einen Impuls und muss sich selber helfen und heilen. Das verstärkt seine Autarkie, das finde ich einfach großartig. Auch gibt es keine negative Beeinflussung des Stoffwechsels und es gibt nach meiner Erfahrung keine Wechselwirkung mit anderen Medikamenten und die Homöopathie lässt sich fantastisch mit konventionellen Medikamenten kombinieren. Ärzte sollten beide Methoden beherrschen, damit können sie für die Patienten das Beste erreichen. Ärzte sollten keine glühenden Verfechter einer Methode, sondern einfach Arzt sein.

Weitere Experteninterviews mit Wissenswertem zum Thema Homöopathie finden Sie hier. Hinweis: Die Aussagen in den Interwies geben die persönlichen Auffassungen der Gesprächspartner wieder und werden von uns im Kontext der Diskussion um und über Homöopathie zugänglich gemacht.


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